Die Weiterbildung „Suchttherapie“ an unserem Institut ist tiefenpsychologisch ausgerichtet auf das individualpsychologische Menschenbild von Alfred Adler, wonach körperliche und seelische nicht von den sozialen Vorgängen trennbar sind. Dies entspricht zugleich den Kriterien des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells, welches einen ganzheitlichen Behandlungsansatz darstellt.
Mit dieser ganzheitlichen Betrachtung der Persönlichkeit schuf Adler bereits die Grundlagen der modernen Psychosomatik, nach welcher auch heute die psychotherapeutische Versorgung nach dem Psychotherapeutengesetz in der Bundesrepublik Deutschland erfolgt.
Adler geht von einem Kompensationstrieb als zentraler Antriebskraft der menschlichen Existenz aus. Grundgedanke seiner Kompensationstheorie bzw. Kompensationslehre ist, dass jeder Mensch sich als unvollkommen empfindet und aufgrund dieses Minderwertigkeitskomplexes (bzw. Hilflosigkeitskomplexes) bestrebt ist, diese Unvollkommenheit, diesen „Mangel“ auszugleichen. Zugleich sieht er den Menschen als ein von Natur aus soziales Wesen, das die Unterstützung durch die Gemeinschaft braucht und isoliert nicht lebensfähig ist. Ein nicht entwickeltes Gemeinschaftsgefühl und eine fehlende Verortung in einem sozialen Netz wirken sich negativ auf die seelische Gesundheit aus. Mit seinem Konzept des Gemeinschaftsgefühls hat Adler zugleich die Grundlage für den Kernsatz tiefenpsychologischer Sucht-Konzepte geschaffen, wonach gilt: Suchtkrankheit ist Beziehungskrankheit.
Laut Adler beruht das Einmalige, Einzigartige eines Menschen auf seinem ganz individuellen Lebensstil, dessen Leitlinien sich in den ersten Lebensjahren herausbilden, sodass der Mensch schon nach dem vierten oder fünften Lebensjahr eine feste Lebensform besitzt. Dieser Lebensstil unterliegt natürlich einem fortlaufenden Entwicklungsprozess, dennoch liegen in der entscheidenden frühen Phase die Ursachen für die „Fehlschläge“, die ein Mensch später bei der Bewältigung der Aufgaben, die das Leben an ihn stellt, erleidet.